Soziale Innovation

Um zu beantworten, wie Soziale Innovation funktioniert und welche Unterschiede es zu anderen Innovationsarten, wie der technischen Innovation gibt, werden die Fragen in diesem Kapitel thematisiert. Außerdem wird der Zusammenhang von Sozialer Innovation und Raum erklärt und welche Faktoren Soziale Innovation fördern,  sowie ob und wie diese messbar ist. Zu Beginn werden die beiden wichtigsten Definitionen für die Projektarbeit und eine tiefergehende Diskussion über die Funktion von Sozialer Innovation folgen.

Wie funktioniert Soziale Innovation?

Soziale Innovation geht von Akteuren oder Akteursgruppen aus, die soziale Praktiken in bestimmten Handlungsfeldern neu ausführen, mit dem Ziel, Probleme zu lösen und Konflikte zu bewältigen (vgl. Howald und Jacobsen 2010: 89). Somit ist Soziale Innovation immer eine bessere Lösung für Probleme auf der Grundlage von etablierten Praktiken (vgl. Howald und Jacobsen 2010: 89), durch welche die Routine durchbrochen wird, indem neue Lösungen gesucht werden (vgl. Schwarz und Howaldt 2014: 5). Ein spezifisch gesetztes Ziel wird durch neue Methoden von gesellschaftlichen Handlungsweisen erreicht (vgl. Kesselring und Leitner 2008: 19).

Sehr wichtig für soziale Innovation ist ihre Ausbreitung. Verstanden wird Soziale Innovation als ein sich ständig wandelnder Prozess, der keine fertigen Strukturen annimmt, sondern durch Diffusionsprozesse transformiert wird (vgl. Kesselring und Leitner 2008: 26). Durch einen gewissen Grad an Verbreitung  einer Erfindung wird diese erst zur Innovation (vgl. Schwarz und Howaldt 2014: 17). Dieser Grad der Verbreitung ist nicht allgemein festlegbar.

Die Ausbreitung einer Sozialen Innovation ist nicht konfliktlos, da Konflikte mit „bisherigen Praktiken und Routinen“ auftreten können (Howald und Jacobsen 2010: 94). Innerhalb des Prozesses der Diffusion verändert sich die Innovation zudem auch selber, je nachdem wie die individuellen Rahmenbedingungen sind und sich die Soziale Innovation an diese anpassen muss (vgl. Kesselring und Leitner 2008: 26). Auch die Beziehungen der verschiedenen aktiven Akteure haben eine hohe Relevanz bei der Ausbreitung von Sozialer Innovation. Durch mehr Verbindungen zwischen den einzelnen Akteuren wird eine Soziale Innovation meist weiter verbreitet und erfolgreicher in der Gesellschaft adoptiert (vgl. Schwarz und Howaldt 2014: 84). Durch die Zunahme der Veränderungen in der Gesellschaft, u.a. durch neue Lebensweisen und eine stetige technische Weiterentwicklung, nimmt auch die  Relevanz der Sozialen Innovation in der Gesellschaft zu (vgl. Schwarz und Howaldt 2014: 11). Ein Schwerpunkt liegt bei Bereichen, „in denen kommerzielle und bereits existierende öffentliche Organisationen versagt haben“ (vgl. Schwarz und Howaldt 2014: 11).

Neben der weit verbreiteten und bekannten technischen Innovation wird der Sozialen Innovation trotz ihrer Wichtigkeit nicht genug Bedeutung zugewiesen. Eine starke Förderung von Sozialer Innovation wäre aber notwendig. Bei ihr liegt ein höheres Potenzial, Probleme zu lösen, als technische Innovation es kann. (Kopf 2014:4)

Für das Projekt relevante Definitionen

Deshalb wird bei dieser Projektarbeit der Fokus ausschließlich auf Soziale Innovation gelegt und inklusive ihrer Auswirkungen auf die Gesellschaft analysiert. Durch die Vielschichtigkeit und den notwendigen Austausch verschiedener Akteure ist Soziale Innovation aufgrund ihrer Abhängigkeit von Akteuren als Teil des gesellschaftlichen Systems zu sehen (vgl. Kopf 2014: 2). Sie ist eine „Teilmenge des sozialen Wandels“ (vgl. Schwarz und Howaldt 2014:11) und am Gemeinwohl orientiert (vgl. Schwarz und Howaldt 2014: 12). Durch die Orientierung der Sozialen Innovation an der Gesellschaft wird versucht diese möglichst positiv zu verändern.

Zwei Definitionen haben sich als besonders aussagekräftig für die Projektarbeit herausgestellt, sodass sich während der Projektarbeit an den Aspekten der Sozialen Innovation von Kopf et al. und Zapf orientiert wurde.
„Soziale Innovationen sind neue soziale Praktiken, die …

  • von bestimmten Personen, Gruppen und Organisationen ausgehen,
  • auf die Lösung von Problemen zielen,
  • direkt oder indirekt soziale Bedarfe decken,
  • […]
  • häufig aus informellen Kontexten heraus entstehen,
  • in Wechselwirkung zu technischen Innovationen stehen können
  • […]“

(Kopf et al. 2014: 3).

Die andere Definition  Soziale Innovationen sind neue Wege, Ziele zu erreichen, insbesondere neue Organisationsformen, neue Regulierungen, neue Lebensstile, die die Richtung des sozialen Wandels verändern, Probleme besser lösen als frühere Praktiken, und die deshalb wert sind, nachgeahmt und institutionalisiert zu werden(Zapf 1994: 33) diente dazu, ein allgemeines Verständnis von Sozialer Innovation zu erlangen. Durch die Abgrenzung in den Definitionen wird deutlich, dass durch neue Praktiken veränderte Handlungsweisen etabliert oder zumindest Veränderungen angestoßen werden. Die neuen Praktiken sind Herangehensweisen an Probleme, die sich noch nicht in der Gesellschaft etabliert haben und somit als „neu“ anzusehen sind. Zudem sollte durch die Innovation auch wirklich etwas in der Gesellschaft bewegt werden.

Tiefergehende Diskussion von Sozialer Innovation

Im Folgenden wird anhand verschiedener Autoren deren Sichtweise auf Soziale Innovation tiefergehend diskutiert. Kesselring und Leitner vertreten die Meinung, dass Soziale Innovation keine alles umfassende, abgeschlossene Theorie ist, wodurch noch keine feste Einordnung des Begriffs möglich ist (vgl. Kesselring und Leitner 2008: 14 f.).

Damit Soziale Innovation richtig ‚funktionieren‘ kann sind „Innovationsnetzwerkwerke“ (vgl. Schwarz und Howaldt 2014: 84) besonders wichtig. Dies bestätigt die bereits festgestellte Bedeutung der Verbindungen zwischen den einzelnen Akteuren in einem Netzwerk. In so einem Netzwerk werden die bisherigen Routinen durchbrochen, indem neue Lösungen für Probleme gesucht werden (vgl. Schwarz und Howaldt 2014: 5). Durch dieses Handeln wird versucht Lösungen für Probleme zu finden, was eine hohe Wichtigkeit für die Weiterentwicklung der Gesellschaft hat (vgl. Schwarz und Howaldt 2014: 11). Dies geschieht durch das Erkennen und Versuchen Probleme in der Gesellschaft möglichst gut zu lösen, wodurch die Relevanz der Sozialen Innovation für die Gesellschaft wiederum bestätigt wird (vgl. Schwarz und Howaldt 2014: 9).

Die Veränderungen in der Gesellschaft können aber nur (nachhaltig) stattfinden, wenn die Soziale Innovation, auch in der Gesellschaft verbreitet wird (vgl. Howald und Jacobsen (2010: 39), was durch diese Quelle wiederum bestätigt wird. Howald und Jacobsen (2010: 89) stimmen auch damit überein, dass die Praktiken der Sozialen Innovation neu sein müssen und durch diese Probleme oder Bedürfnisse besser gelöst werden (vgl. Howald und Jacobsen 2010: 89).

Auch die hohe Bedeutung der erwähnten Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren wird wiederum durch Moulaert (2005: 1973) belegt. Als weiteren Aspekt führt Moulaert einen Grund für das Entstehen von Sozialer Innovation an. Dieser kann die Unzufriedenheit mit der bisherigen, vermutlich unzureichenden, Befriedigung von Bedürfnissen sein. (vgl. Moulaert 2005: 1973)

Diese neuen Handlungsweisen, mit dem Ziel etwas zu verändern, sind eine Form der Emanzipation, da sich die Akteure durch die Sozialen Innovationen von den bisherigen Umständen versuchen zu befreien, indem neue Lösungen und Handlungsweisen entwickelt und später umgesetzt werden. Diese neuen Handlungsweisen sind ein Prozess mit vielen kleinen Schritten, der nicht von heute auf morgen stattfindet. Dies ist eine weitere Übereinstimmung mit vorherigen Quellen, die Soziale Innovation als einen sich ständig ändernden Prozess bezeichnen. Horx (2013) führt zusätzlich an, dass Soziale Innovation, auf der Grundlage von Interaktion zwischen Menschen neue Verbindungen knüpft. Durch diese neuen Verbindungen wird bestätigt, dass Soziale Innovation neue Handlungsweisen sind, bei denen die Interaktion zwischen den einzelnen Akteuren eine große Bedeutung hat. Wenn es nicht ausreichend Interaktion zwischen den Akteuren gibt, kann sich eine Soziale Innovation nicht durchsetzen und verschwindet wieder. Somit ist die Förderung Sozialer Innovation besonders wichtig, damit sich diese auch etablieren können. (vgl. Horx 2013)

Die Andersartigkeit der Sozialen Innovation ist ein zentraler Punkt, der von Gillwald (2000: 41) aufgegriffen wird, ebenso wie die dauerhafte Verbreitung und der große Einfluss von Sozialer Innovation auf die gesellschaftliche Entwicklung, was als Teil des gesellschaftlichen Systems gesehen wird (vgl. Gillwald 2000: 41). Wichtig ist ebenfalls zu beachten, dass Soziale Innovation in allen gesellschaftlichen Bereichen vorkommt, wenn auch durch höheren Bedarf in manchen mehr als in anderen (vgl. Gillwald 2000: 43).

Der Ausgangspunkt für Soziale Innovation ist meist eine soziale Organisation oder einzelne Personen, was eine weitere Unterstützung der Aussage ist, dass Soziale Innovation von bestimmten Personenkreisen ausgeht (vgl. Fujisawa 2015: 1). Zudem erweitert Fujisawa (2015: 4) die Aussage, dass Soziale Innovation verbreitet werden muss, um eine Außenwirkung zu haben. Die Innovation muss nämlich in die Gesellschaft hineingetragen und eingebunden werden (vgl. Fujisawa 2015: 4).

Andere Aspekte Sozialer Innovation sind von Brandsen genannt. Er geht davon aus, dass nicht nur die Verbreitung an sich relevant ist, sondern auch konkret die Inhalte, die verbreitet werden, relevant sind (vgl. Brandsen 2014: 51). In seinem Modell ist es die Absicht der Akteure, von denen die Soziale Innovation ausgeht, dass lokaler Bedarf gedeckt wird (vgl. Brandsen 2014: 54). Die Empfänger der Sozialen Innovation sind meist unbekannt, wobei es mit Steigung der Innovation immer schwieriger wird, deren Auswirkungen konkret bestimmen zu können (vgl. Brandsen 2014: 55). Zudem wird hier wiederum bestätigt, dass Soziale Innovationen von bestimmten Akteuren ausgehen, da die Menschen laut Brandsen eine gewisse Bereitschaft für die Innovation haben müssen. Diese Bereitschaft muss bei den Sendern und Empfängern der Sozialen Innovation vorhanden sein. Ein weiterer Aspekt, der die Sender Sozialer Innovation betrifft, ist deren Größe. Laut Brandsens ist die Relevanz der großen Akteure zu stark gewichtet und die Relevanz von freiwilligen, „kleineren“ Akteuren unterschätzt (vgl. Brandsen 2014: 57f).

Durch das Beschäftigen mit den Interpretationen verschiedener Wissenschaftler ist ein umfassendes Verständnis Sozialer Innovation entstanden. Auch wenn sich die Sichtweisen in manchen Aspekten unterscheiden, gibt im allgemeinen, in der herangezogenen Literatur und im Projekt, ein ähnliches Verständnis von Sozialer Innovation.

Quellen

 

Wie unterscheidet sich Soziale Innovation von anderen Innovationsarten?

Wie in der Beantwortung der ersten Frage – Wie funktioniert soziale Innovation? – bereits angesprochen wurde, besitzt Innovation ein sehr breit gefächertes Spektrum und unterscheidet sich in verschiedene Arten. Dieses Spektrum entsteht durch das Handeln verschiedener Personen (z.B.: Einzelpersonen in der Gesellschaft, Politik oder Unternehmen) in verschiedenen Situationen. So kann zum Beispiel vorsätzlich oder zufällig auf soziale oder technische Art und Weise Innovation hervorgerufen werden. Ob und wie sich Soziale Innovation von anderen Innovationsarten unterscheiden lässt, wird daher im Folgenden näher erläutert.

Um die Unterschiede deutlicher zu machen, wird sich dazu auf eine weitere Innovationsart beschränkt. In diesem Fall dient hierzu die technische Innovation, da diese in der Gesellschaft am weitesten verbreitet ist. Zunächst ist zu sagen, dass sich eine strikte Trennung der beiden Arten von Innovation nur sehr schwierig vornehmen lässt. Grund dafür ist die Koexistenz und Interaktion der beiden Arten. Technische Neuerungen können aus veränderten sozialen Umgangsweisen hervorgehen. Ebenso kann aber auch eine technische Innovation oder Neuheit dafür sorgen, dass sich soziales Verhalten ändert. (vgl. Howald, Jacobsen 2010: 26-28)

Grad der Neuheit

Die Einführungen des Mobiltelefons und des mobilen Internets zum Beispiel sorgten für eine grundlegende Veränderung in der Kommunikation und hatten somit auch einen großen Einfluss auf die Veränderung gesellschaftlicher Verhaltensweisen. Um beurteilen zu können inwiefern es sich bei einer Neuerung, Erfindung oder einem Konzept im allgemeinen um eine Innovation handelt, kann der Grad der Neuheit als Indikator verwendet werden. Bei technischen Neuerungen ist der Grad der Neuheit relativ einfach auszumachen. Grund dafür ist, dass bei diesen der Fokus oft nur auf dem finalen Produkt selbst liegt, und somit im Vergleich zu vorhergegangenen Produkten der Unterschied verhältnismäßig gut zu erkennen ist.

Soziale Innovationen hingegen geben nur sehr wenig Informationen über ihren Grad der Neuheit bekannt (vgl. Kesselring, Leitner Jahr: 18). Dies kann unterschiedlich begründet werden. Zum einen ist Soziale Innovation schwerpunktmäßig prozessorientiert. Das heißt, dass die Entstehung und Verbreitung einer sozialen Praxis und der Weg zur Etablierung dieser in der Gesellschaft von größerer Relevanz sind, als der daraus resultierende Zustand (ebd.). Zum anderen ist Soziale Innovation sehr stark von ihrem Kontext abhängig. Dieser wiederum setzt sich zusammen aus der Situation und des Akteurs mit seinen Erfahrungen, Qualifikationen, Interessen und Werten. Allgemein sorgt das für eine hohe Plastizität und eine Diversifizierung in unterschiedliche Formen. So kann sich Soziale Innovation zum Beispiel in Organisationsveränderungen innerhalb von Unternehmen, politischen Veränderungen, neuen Dienstleistungen und Lebensstilen und in Sozialtechnologien wiederspiegeln (vgl. Howald und Jacobsen 2010: 27). Zudem handelt es sich bei Sozialer Innovation eher um einen „Hybrid“ aus alten und neuen Praktiken (vgl. Kesselring und Leitner: Jahr: 18). Frühere Handlungsweisen werden somit nicht einfach ersetzt, sondern vielmehr durch neue Praktiken ergänzt um eine Veränderung zu erzielen. Durch diese Verschmelzung wird die Unterscheidung zwischen alt und neu zusätzlich erschwert.

Intention

Ein weiterer Aspekt der zur Unterscheidung herangezogen werden kann, ist die Profitorientierung. Technologische Innovationen sind oftmals daran ausgerichtet, einen hohen Grad der Bekanntheit zu erlangen und möglichst hohe Gewinne zu erzielen, während Soziale Innovationen eher „non- bzw. without-profit“ zielgerichtet sind (Howald und Jacobsen 2010: 89f). Aber auch hier muss angemerkt werden, dass die Unterscheidung durchaus nicht ganz eindeutig geschehen kann. Gerade im Bereich des Sozialunternehmertums und der Social-Start-Ups ist zwar primär ein sozialer Nutzen angedacht, auf langfristige Sichtweise kann aber auch Gewinn erzielt werden. In einem solchen Fall kann dann danach entschieden werden, wie dieser Gewinn wieder reinvestiert wird.

Status in der Gesellschaft

Als abschließenden Aspekt kann der Status der Innovation in der Gesellschaft herangezogen werden. Allgemein ist zu sagen, dass technische Innovation weiter verbreitet und somit bekannter in der Gesellschaft ist. Grund dafür ist die angesprochene Profitorientierung und die daraus hervorgehende Wirtschaftlichkeit. Sozialer Innovation hingegen wird in der Gesellschaft eine eher geringe Bedeutung zugeschrieben und als Begleiterscheinung der technischen Innovation abgestempelt. (vgl. Schwarz und Howald 2014: 45)

Dennoch wird davon ausgegangen, dass sich der Status der Sozialen Innovation in der Gesellschaft in Zukunft verändern wird und an Bedeutung zunimmt. Grund dafür ist die steigende Anzahl an Veränderungen in der Gesellschaft und dem damit einhergehenden Konfliktpotential (vgl. Howald, Jacobsen 2010: 28). Es wächst das Bewusstsein, dass technische Innovation nur beschränkt das Potential besitzt, Probleme zu lösen (vgl. Schwarz und Howald 2014: 45) und gerade Bereiche „in denen kommerzielle und bereits existierende öffentliche Organisationen versagt haben.“ (Schwarz und Howald 2014: 11) von einer höheren Relevanz profitieren könnten. Eine ähnliche Aussage trifft auch Hartmut Kopf in „Soziale Innovationen für Deutschland“ (2014) indem er die mangelhafte Beachtung der Sozialen Innovation als Konfliktlösung kritisiert (vgl. Kopf et al. 2014: 4).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Soziale Innovation und technische Innovation zwar aufgrund ihrer Koexistenz und Interaktion miteinander keine eindeutigen Faktoren besitzen, die eine klare Unterscheidung ermöglichen, dennoch kann zumindest über die Informationen über den Grad der Neuheit und die Intention (Gewinnorientiert oder nicht?) ein grober Unterschied geschaffen werden. Am deutlichsten ist aber die angesprochene geringe Relevanz in der Gesellschaft im Gegensatz zur technischen Innovation. Da allerdings eine zunehmende Bekanntheit Sozialer Innovation prognostiziert ist, wird dieser Unterschied ebenfalls mit der Zeit kleiner werden und dieser Aspekt als klare Unterscheidung nicht mehr deutlich zu erkennen sein.

Quellen

 

Wie entsteht aus einer Idee eine Soziale Innovation?

Um Soziale Innovation festzustellen, ist es wichtig zu wissen, ab wann etwas als sozial innovativ bezeichnet wird, um Konzepte und Ideen zu erkennen, die sozial innovativ werden könnten. Dabei ist der Übergang zwischen einer Idee und Innovation schwer zu erkennen und in der Regel nicht trennscharf, sondern fließend.

Nachbarschaftsdiffunsion

Verbindungen und somit Austausch und Kommunikation mit anderen Akteuren sind also von elementarer Bedeutung, um eine Innovation zu verbreiten und somit durchzusetzen. Dieses Ergebnis wird auch in der Literatur vertreten. Nach Bathelt und Glückler (2003: 380) kann Innovation nur entstehen, wenn verschiedene Akteure in regionale Netzwerke eingebunden sind und miteinander durch Zusammenarbeit und Wissenstransfer kooperieren. Dabei kann der Grad der Zusammenarbeit auf die Dauer Einfluss haben, in der die Innovation entsteht und verbreitet wird. Grundsätzlich ist der Prozess hin zur Innovation jedoch eine ungerichtet lange Phase. Die Ausbreitung von Innovation wird auch Diffusion genannt (vgl. Bathelt und Glückler 2003: 232). Sie beinhaltet räumliche und zeitliche Dimensionen. Diffusion entsteht durch Kommunikationsprozesse zwischen Akteuren und ist daher abhängig von Faktoren der Informationsflüsse. Direkter Kontakt eines Innovationsträgers zu einem anderen Akteur sorgt dabei für die Übertragung der Innovation. Dies wird auch Nachbarschaftsdiffusion genannt.

Es kann zwischen folgenden Diffusionsarten unterschieden werden:

  • Räumliche Diffusion: Der Raum definiert die Ausbreitung einer Innovation. Innovation verbreitet sich durch persönlichen Kontakt von Personen im Sinne der Nachbarschaftsdiffusion. Dabei werden die Personen direkt am Innovationszentrum als Erstes von der Innovation „berührt“ und die weiter entfernten später. Ein Distanzdefizit sorgt dafür, dass die Adoption der Innovation mit der Entfernung abnimmt (siehe Abb. 6).

Abb. 6: Räumliche Diffusion von Innovationen (Quelle: Bathelt und Glückler 2003: 232)

 

  • Zeitliche Diffusion: Ausgehend davon, dass sich Innovation langsam ausbreitet und nicht alle potentiellen Adoptoren diese auf einmal annehmen, wird der Diffusionsprozess auch von einer zeitlichen Komponente bestimmt, da es eine gewisse Zeit dauert, bis die Innovation überall angenommen wird. Die Gesamtheit der potentiellen Adoptoren lassen sich in vier Phasen unterteilen: Innovatoren, also die Erfinder der Innovation, die frühe Majorität, also die erste Mehrheit an Akteure oder Akteursgruppen, die die Innovation annehmen, die späte Majorität, also die späte Mehrheit an Akteuren und Akteursgruppen, die die Innovation annehmen und Nachzügler, die als letztes von der Innovation erfahren und diese annehmen (siehe Abb. 7).

Abb. 7: Zeitliche Diffusion von Innovationen (Quelle: Bathelt und Glückler 2003: 232)

 

  • Raumzeitliche Diffusion: Insgesamt ist der Prozess der Nachbarschaftsdiffusion zusammengesetzt aus räumlicher und zeitlicher Diffusion und einer Kombination aus beidem. So gibt es mehrere zeitliche „Wellen“, in denen Akteure von einer Innovation erfahren. Mit höherer Distanz nimmt auch die Anzahl der Akteure ab, die die Innovation adoptieren (siehe Abb. 8). (vgl. Bathelt und Glückler 2003: 232)

Abb. 8: Zeitliche Diffusion von Innovationen (Quelle: Bathelt und Glückler 2003: 232)

 

Hierarchische Diffusion

Neben der Nachbarschaftsdiffusion gibt es allerdings noch die hierarchische Diffusion. Informationen werden nicht immer persönlich übermittelt und sind somit nicht zwangsweise an die räumliche Ausbreitung gebunden. Im Falle der hierarchischen Diffusion verbreitet sich eine Innovation von oben nach unten entlang eines hierarchischen Systems von Personen oder Raumeinheiten. Personen oder Raumeinheiten auf selber hierarchischer Stufe nehmen demnach etwa gleichzeitig eine Innovation an. Der Diffusionsprozess kann außerdem von Barrieren topographisch-physischer, psychologischer, soziokultureller oder politischer Natur den Diffusionsprozess negativ beeinflussen oder sogar stoppen (vgl. Bathelt und Glückler 2003: 234).

Diffusionstheorie nach Rogers

Während sich die Diffusionstheorie von Bathelt und Glückler eher auf einer übergeordneten Ebene Innovationsdiffusion beschreibt, beschäftigt sich die Diffusionstheorie nach Rogers (1962, 2003) mit der Art und Weise wie Diffusion abläuft. Die Diffusionstheorie nach Rogers befasst sich, genau wie das Diffusionsmodell nach Bathelt und Glückler, mit nicht-hierarchischer Diffusion, bzw. Nachbarschaftsdiffusion (vgl. Schröder et al. 2011: 25). In Rogers Modell werden fünf aufeinanderfolgende Phasen unterschieden. Hierbei gilt: „je komplexer die Innovation mit Blick auf Ziele, auf angenommene Kausalitäten oder Wirkungen ist, desto unwahrscheinlicher ist deren Übertragung von einem Ort zu einem anderen“ (Brandsen 2014: 56).
Die Theorie unterteilt sich in:

  1. von einer Innovation erfahren („Knowledge“),
  2. überzeugt werden von einer Innovation („Persuasion“),
  3. sich für eine Innovation entscheiden („Decision“),
  4. die Innovation implementieren („Implementation“),
  5. die Entscheidung für eine Innovation bestätigen („Confirmation“).

(vgl. Rogers 1962: 5, zitiert nach Brandsen 2014: 50-58) (siehe Abb. 9)


Abb. 9: Diffusionstheorie nach Rogers (Quelle: eigene Darstellung)

Wenn eine Innovation einen dieser Schritte allerdings nicht durchläuft und die fünfte Phase nicht erreicht, ist sie laut Rogers gescheitert. Die Diffusionstheorie gelingt nur, wenn Personen mit hohem Ansehen diese vorleben und „wenn sie an bestehende psychologische Präferenzen und kulturelle Logiken gut anschlussfähig sind“ (Henrich 2001: 997, zitiert nach Schröder et al. 2011: 28-29). Außerdem wird in der Theorie nicht berücksichtigt, dass es zur Verbreitung von Innovation eine bestimmte „kritische Masse“ geben muss, die von der Innovation überzeugt werden und die Idee weiterverbreiten muss. Diese kritische Masse muss bereit zur Akzeptanz sein und gegebenenfalls alte Muster aufgeben, um neue anzunehmen (vgl. Schröder et al. 2011: 149).

Wie aus den Interviews mit mehreren Initiativen hervorging, gibt es viele Menschen mit guten, neuartigen Ideen und Projekten in verschiedenen Bereichen, die durchaus das Potential besitzen, sozial innovativ zu sein, bzw. allen Kriterien Sozialer Innovation entsprechen, aber ihre Idee nicht aktiv verbreiten oder Soziale Innovation nicht das Ziel ihrer Ideen oder Projekte ist.
Somit scheitert Soziale Innovation in diesen Fällen daran, dass die „Außenwelt“ nichts von den Ideen und Projekten erfährt, die diese Akteure im Privaten ausführen. Soziale Innovation kann in diesen Fällen also nicht verbreitet und von anderen Menschen oder Gruppen übernommen werden.

Bei der Diffusionstheorie nach Rogers wird bemängelt (vgl. Schröder et al. 2011: 27-29), dass Soziale Innovation nur rückwirkend betrachtet wird, wodurch gescheiterte Innovationen in der Forschung nicht betrachtet werden, sondern nur angenommene, die sich durchgesetzt haben und nur diese tatsächlich als Soziale Innovation angesehen werden. In der Projektarbeit werden allerdings alle Stadien Sozialer Innovation nach Rogers betrachtet und nicht nur die adoptierten Innovationen, da auch die privaten Akteure mit guten Ideen das Potential Soziale Innovation zu bewirken besitzen.

Im Rückbezug auf die Frage, wie aus einer Idee eine Soziale Innovation entsteht, lässt sich also feststellen, dass ein ausschlaggebender Faktor für das Entstehen einer Innovation der Verbreitungsgrad ist, sich aber teilweise schwer einordnen lässt, ab wann etwas eine Innovation ist. Deshalb bezieht sich die Projektarbeit auch auf Projekte, deren Status im Hinblick auf den Übergang zwischen Ausübung einer Idee und Sozialer Innovation nicht klar zu ermitteln ist.

Quellen

 

Einfluss der Sozialen Innovation auf den Raum

Soziale Innovation bietet Lösungen und Ideen für räumliche und soziale Probleme (Weitere Erläuterungen dazu: Soziale Innovation). Die Strukturen des Ruhrgebiets stellen somit einen Ansatzpunkt für Soziale Innovation dar, sodass diese das Potential besitzt, zur Lösung von raumstrukturellen Defiziten beizutragen.

Der Raum und Soziale Innovation beeinflussen sich gegenseitig. So ist eine Voraussetzung für das Entstehen und Verbreiten Sozialer Innovation die räumliche Nähe und die lokale und regionale Vernetzung von Akteuren (vgl. Bathelt und Glückler 2003: 81, 232). Gleichzeitig ist die räumliche Nähe von Akteuren aber auch ein Resultat von Sozialer Innovation, da sich durch Soziale Innovation innovative Netzwerke bilden, in denen immer mehr neue Ideen und Projekte entstehen und neue Akteure zusammenkommen und miteinander kooperieren (vgl. Kopf et al. 2015: 166).

Das Zusammenkommen verschiedener Akteure bedingt, dass es schon ein gewisses Interesse oder ein bestimmtes Bewusstsein für Soziale Innovation gibt. Die Zusammenarbeit vielfältiger Akteure ist zudem wichtig für den Aufbau eines Standortes (vgl. Kopf et al. 2015: 166) und kann so zur Verdichtung eines Raumes beitragen. Soziale Innovation fördert nachhaltiges Wachstum, die Sicherung von Arbeitsplätzen und die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit einer Region (vgl. Schwarz und Howald 2014: 48). Somit trägt sie zur Wirtschaft und zum nachhaltigen Wachstum einer Region bei. Durch das Angebot von Arbeitsplätzen trägt sie außerdem zur Verteilung von Angeboten und Befriedigung des menschlichen Bedarfs bei.

Da das erste Kapitel sich nur mit der Theorie von Sozialer Innovation befasst und nur wenig Theorie zu diesem Thema vorliegt, kann an dieser Stelle keine eindeutige Aussage zum Einfluss Sozialer Innovation auf den Raum getroffen werden. Im Nachfolgenden wird diese Fragestellung allerdings noch durch empirische Nachforschungen ausführlicher beantwortet.

Quellen

 

Einfluss des Raumes auf die Soziale Innovation

Soziale Innovation ist in ihrer Ausbreitung und Entwicklung durch den Raum beeinflusst, welcher von Menschen gestaltet wird. Es gibt in den aktuellen Generationen ein höheres Potenzial zur Entstehung von Sozialen Innovationen, da es durch mehr Individualität auch mehr Ideen gibt, aus denen Innovation entstehen kann. Da räumliche Vernetzung ein fördernder Faktor für Soziale Innovation ist, hat diese somit eine hohe Relevanz für diese Generationen. (vgl. Pankoke 2002: 104)

Räumliche Nähe und Vernetzung

Die räumliche Vernetzungen von beteiligten Akteuren an einer Sozialen Innovation hat Auswirkungen auf die Entwicklung von Sozialer Innovation. Bei einer guten räumlichen Vernetzung ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass Soziale Innovation entsteht und sich etablieren kann, dadurch können gute Rahmenbedingungen gegeben sein, die im folgendem erläutert werden.

Besonders im Ruhrgebiet, auf welches sich die Projektarbeit bezieht, gibt es ein sehr großes Potenzial zur Entstehung von Initiativen und Innovation.  Durch „lebendiges Gemeinschaftsleben und Vereinswesen in den sozialen Räumen der Wohnquartiere und Stadtteile“ (Pankoke 2002: 106) im Ruhrgebiet sind solche guten Rahmenbedingungen gegeben. Das „Ruhrgebietstypische […] Vereinswesen“ (Pankoke 2002: 106) bietet durch lokale Nähe, Bürgervereine und „Selbstgenügsamkeit“ (Pankoke 2002: 106), gute Bedingungen für das Entstehen von Sozialer Innovation. Das Vereinswesen ist durch lokale Vernetzungen innerhalb der Wohnquartiere entstanden, das Wohnquartier ist aufgrund einer geschichtlichen Tradition gegeben (vgl. Pankoke 2002: 105). Trotz dessen müssen auch im Ruhrgebiet durch Sicherung und Weiterentwicklung einer „soziokulturellen Infrastruktur“ (Pankoke 2002: 106) regionale Vernetzungen gefördert werden (siehe: Wie funktioniert Soziale Innovation? ).

Die hohe Relevanz der räumlichen Nähe für das Entstehen Sozialer Innovation wird durch Bathelt und Glückler (2012: 81) bestätigt. Räumliche Nähe ermöglicht interaktive Problemlösung und das Entstehen von Vertrauensbeziehungen. Gerade Akteure mit kleinem Wirkungskreis sind bei diesen Rahmenbedingungen oftmals sehr aktiv und versuchen ihren Wirkungskreis zu vergrößern. Dadurch wird die Relevanz der räumlichen Nähe wiederum bestätigt, da durch die räumliche Nähe das Wachstum von kleinen Akteuren, die zum Teil Initiativen sind, auf welche wir uns beziehen, gefördert werden. (vgl. Bathelt und Glückler 2012: 81). Die durch die räumliche Nähe entstehenden persönlichen Interaktionen fördern den Aufbau von Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren (vgl. Bathelt und Glückler 2012: 82).

Im Ruhrgebiet ist neben den nachbarschaftlichen Vernetzungen auch eine gute Vernetzung unter den verschiedenen Städten gegeben. Diese Vernetzung ist z.B. zwischen Bochum und Dortmund sehr groß, da die Städte geographisch nahezu ineinander übergehen, wodurch der Aspekt der räumlichen Nähe auch hier gegeben ist.  Durch die Beziehungen zwischen den einzelnen Akteuren entsteht die Möglichkeit, dass auch soziales Kapital entsteht.

Soziales Kapital

Soziales Kapital kann nur durch zwischenmenschliche Beziehungen entstehen und beschreibt das Potenzial, dass aus diesen Beziehungen etwas Neues entstehen kann (vgl. Bathelt und Glückler 2003: 57). Diese zwischenmenschlichen Beziehungen können durch eine optimale Ausnutzung dessen zur Entstehung von Sozialen Innovationen führen.  Durch die Beziehungen zwischen einzelnen Akteuren, zu denen auch Initiativen gehören, wird eine gemeinsame Identität gebildet, sowie gemeinsame Normen und Werte. Dadurch entstehen Handlungsorientierungen und eine Sicherheit in den Beziehungen zwischen den Akteuren. (vgl. Bathelt und Glückler 2012: 196)

Nachteile räumlicher Nähe

Besonders in sozialen Systemen mit wenig Kontakt nach Außen und einer relativen Geschlossenheit ist soziales Kapital meist gut entwickelt. Dieser Faktor kann neben den genannten positiven Faktoren aber auch zu Problemen führen, da sich das System nach Außen abschottet. Dem steht die „structural hole Theorie“ entgegen. Nach dieser Theorie bieten unverwirklichte Beziehungen zwischen Akteuren eines Netzwerks die Möglichkeit mit anderen unverbundenen Akteuren Beziehungen einzugehen. Die Geschlossenheit von Netzwerken sorgt einerseits zur Bildung von gemeinsamen Normen, aber auch andererseits zu einer Isolation nach außen, weil Gelegenheiten Verbindungen außerhalb des Netzwerks zu knüpfen nicht wahrnehmbar sind. (vgl. Bathelt und Glückler 2003: 169)

Die Vorteile räumlicher Nähe sind im Ruhrgebiet gegeben, da die Städte dort alle sehr nah beieinander liegen. Auch Meng unterstützt die Meinung, dass Soziale Innovation durch räumliche Nähe gefördert wird. Durch diese Nähe werden Kooperationen, Netzwerke und die Möglichkeit zum Wissensaustausch begünstigt (vgl. Meng 2012: 244f).

Es lässt sich somit allgemein feststellen, dass durch räumliche Nähe gute Voraussetzungen für eine Vernetzung von Akteuren und somit die spätere Entstehung von Innovation gegeben sind.

Quellen

 

Was und wer fördert Soziale Innovation?

Im Projekt werden als Träger für Soziale Innovation Initiativen betrachtet. Initiativen sind Gruppen von Menschen, die neue Lösungen zu bestehenden Problemen finden und meist informell handeln. Sie haben dementsprechend wenige Ressourcen, wie aus den explorativen Interviews hervorgegangen ist (vgl. Interview mit Mitglied der Initiative Flüchtlingshilfe Sprockhövel 22.11.2017). Aus diesem Grund ist die Förderung und Unterstützung durch größere und einflussreichere Organisationen besonders wichtig. Diese Organisationen werden im weiteren Verlauf Förderinstitutionen genannt und sind Strukturen, die nicht selbst sozial innovativ sind, sondern indirekt durch das Unterstützen von Initiativen sozial innovativ handeln. Sie bieten Unterstützung durch bspw. finanzielle Mittel oder durch das Herstellen von Kontakten. Durch diese Hilfestellungen haben die Initiativen mehr Möglichkeiten ihre Ideen umzusetzen (vgl. Interview mit Mitglied der Initiative Die Urbanisten e.V. 21.11.2017).

Kooperation von Akteuren

Um das Ziel, die neue Lösung für ein Problem, zu erreichen und die soziale Innovation voranzutreiben muss es nach dem Soziologen Kopf Förderinstitutionen geben, die die Initiativen bei ihrer Arbeit unterstützen. Neben „der Kooperation von Akteuren aus Wissenschaft, Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft“ (Kopf 2014: 4), um das Innovationspotenzial weitestgehend auszuschöpfen und die Ideen und Lösungen der Initiativen so weit wie möglich zu verbreiten, ist es auch nötig den „Ausbau von unterstützenden intermediären Institutionen“ (Kopf 2014: 4) zu fördern. Durch den Austausch der verschiedenen Akteure wird das Problem von unterschiedlichen Standpunkten beleuchtet und dementsprechend wird eine Lösung gefunden. Dabei ist es jedoch wichtig, die Unterstützung durch Förderinstitutionen zu fördern und zu ermöglichen. Durch diese Maßnahmen gewinnt die Soziale Innovation mehr Einfluss und erreicht mehr Menschen.
Auch Feldotto (1997: 26) ist der Meinung, dass soziale Innovation durch Einflüsse von außerhalb forciert werden muss „um weitreichende und radikale Innovationen anzustoßen.“(Feldotto 1997: 26) und um „Innovationsverflechtungen“ (Feldotto 1997: 26) zu ermöglichen. Hierbei wird deutlich, dass die Diffusion Sozialer Innovation, durch Kooperationen mit bspw. Universitäten begünstigt wird (vgl. Feldotto 1997: 26).

Wettbewerbe als Fördermittel

Eine andere Art Soziale Innovation zu fördern ist das Ausrichten von Wettbewerben, um Fördergelder zu vergeben. Diesen Standpunkt vertreten Howald und Jacobsen (2010: 315), da beide der Meinung sind, dass „Wettbewerbe […] bei der Vergabe von öffentlichen Fördermitteln an Bedeutung“ gewinnen (Howald und Jacobsen 2010: 315). Sie führen das Beispiel des ‚Dienstleistungswettbewerb Ruhrgebiet’ (DLWR) an, der besonders für die „Entwicklung von innovativen und marktfähigen Dienstleistungsangeboten“ beigetragen hat, „um damit langfristig neue Wachstumsfelder und Beschäftigungsmöglichkeiten im Ruhrgebiet zu erschließen.“ (Howald und Jacobsen 2010: 315) Durch Wettbewerbe ergibt sich gleichzeitig die Möglichkeit, Ideen von außenstehenden Akteuren zu betrachten und somit eine weitere Sichtweise zu gewinnen.
Doch auch wenn es Förderungen für die Etablierung und somit den Erfolg von Sozialer Innovation gibt, bedeutet dies nicht gleich Erfolg, da die Effekte für die individuelle Region nicht absehbar sind (vgl. Meng 2011: 250). Durch Meng wird deutlich, dass „die Erleichterung des Zugangs zu Wissensressourcen nicht zwingend zur Ausweitung regionaler Wissensaktivitäten führen, wenn Vernetzungsansätze innerhalb der Region unterentwickelt bleiben“ (ebd.). Daher ist ersichtlich, wie wichtig und erforderlich eine gute Vernetzung ist, damit die Soziale Innovation eine Möglichkeit hat sich zu etablieren und erfolgreich zu sein.

Förderinstitutionen im Netzwerk

Durch Schröer (2017: 31) wird weiterhin deutlich, dass durch Kooperationen zwischen neuen, beziehungsweise kleinen Trägern von Sozialer Innovation und „etablierten Trägern“ die Soziale Innovation gefördert wird (Schröer 2017: 31). Dabei stützt er sich auf die Aussagen von Rehfeld und Terstriep (2013), die die Bedeutung von „regionalen sozialen Innovationsnetzwerken (Rehfeld und Terstriep 2013: o.A., zitiert nach Schröer 2017: 31) für die Hervorbringung und Verbreitung Sozialer Innovationen.“ (Schröer 2017: 31) als hoch einstufen. Diese Aussage unterstützt außerdem die Aussage von Meng und bestätigt, dass ein Gesamtnetzwerk von großer Bedeutung und eine Notwendigkeit ist.  Bei Betrachtung der Netzwerkkarten ist auf den ersten Blick zu erkennen, dass es im Vergleich zu Initiativen nur sehr wenige Förderinstitutionen gibt. Sie existieren zumeist in größeren Städten, wie Dortmund, Bochum und Essen. Bei Betrachtung der Knotenpunkte ist zu erkennen, dass keine Förderinstitution ein bemerkenswerter Knotenpunkt ist. Daraus wird deutlich, dass Förderinstitutionen kein Schnittpunkt von Verbindungen zu Initiativen sind, durch den neue Kontakte entstehen. Auffällig ist jedoch, dass bspw. eine Förderinstitution in Essen (ES11) eine hohe Zentralität
hat, wodurch ihre direkte Anbindung an das Netzwerk deutlich wird. Sie ist von anderen Instanzen im Netzwerk über besonders kurze und direkte Wege zu erreichen. Dabei muss beachtet werden, dass es sich nicht um räumliche Nähe handelt, sondern um die Nähe in Bezug auf die Bekanntschaft untereinander. Mehr Bekanntschaften, bedeuten kürzere und direktere Wege zu anderen Initiativen.

Durch die betrachtete Literatur wird deutlich, wie wichtig die Förderung von Sozialer Innovation ist, durch beispielsweise die Politik und durch bereits etablierte Träger von Sozialer Innovation. Jedoch muss auch festgehalten werden, dass die Förderungen nicht immer zu Erfolg verhelfen, besonders dann, wenn es kein dichtes Netzwerk gibt. Aber auch wenn ein dichtes Netzwerk besteht, müssen die Förderinstitutionen keinen großen Einfluss auf das Netzwerk haben, wie aus der Netzwerkanalyse hervorgeht.

Quellen

 

Ist Soziale Innovation messbar?

Aus den vorherigen Abschnitten ist hervorgegangen, wie Soziale Innovation funktioniert und entsteht, wie sie sich von anderen Innovationsarten unterscheidet, wie die Wechselwirkungen mit dem Raum sind und wer oder was Soziale Innovation fördert. In diesem Zusammenhang stellt sich eine weitere interessante Frage: Lässt sich Soziale Innovation messen? Und wenn ja, wie?

Sowohl in der Literatur als auch im Rahmen dieses Projektes hat sich die Beantwortung dieser Frage schwierig gestaltet. Die unterschiedlichen Definitionen, aber auch die verschiedenen Bereiche, in denen Soziale Innovation stattfinden kann, machen es nicht einfach, einen einheitlichen und vergleichbaren Maßstab zu finden. Es lässt sich nirgendwo eine Skala zur absoluten Messbarkeit finden, mit der sich einfach eine Zahl herausfinden lässt, die Aufschluss über die Soziale Innovation in einer Einrichtung, Gruppe oder Region gibt. Und hier ergibt sich auch schon die erste Schwierigkeit: Auf welcher Ebene setzt man bei der Messung überhaupt an?

Die Literatur gibt viele verschiedene Definitionen für Soziale Innovation, in denen jeweils andere Aspekte (Kriterien, Umfeld, Verbreitung, Akteure) betrachtet oder für wichtig erachtet werden. Aus diesen unterschiedlichen Definitionen ist es sehr schwer, ein allumfassendes „Messinstrument“ zu erstellen, das angibt, an welcher Stelle welche Aspekte gemessen werden und wie das Ergebnis zu interpretieren ist. Es gestaltet sich insgesamt sehr schwierig, Soziale Innovation empirisch zu erfassen (vgl. Howaldt und Jacobsen 2010: 54). Um dennoch vergleichbare Aussagen treffen zu können, ist die Betrachtung ausgewählter Merkmale von Sozialer Innovation sinnvoll. Wie in vorangegangenen Absätzen zu sehen ist, gestaltet sich der Verbreitungsprozess als einer der wichtigsten Bestandteile für den Erfolg von Sozialer Innovation. Bei Kesselring und Leitner (2008: 21) sowie bei Howaldt und Schwarz (2014: 67) wird deutlich, dass es Träger Sozialer Innovation geben muss, die diese durchführen und verbreiten.

Bei diesen Akteuren als „Messinstrument“ anzusetzen, bietet die Möglichkeit, die Verbreitung von Sozialer Innovation zu messen – oder zumindest die Möglichkeiten und Voraussetzungen zur Verbreitung in verschiedenen Regionen zu vergleichen. Obwohl Soziale Innovation in verschiedenen Bereichen von verschiedenen Akteuren getragen werden kann, wird in diesem Projekt der Fokus auf bürgerlich getragene Initiativen gelegt. Um deren Handeln und Vernetzungen und damit die Soziale Innovation vergleichbar – und somit zumindest relativ messbar – zu machen, bietet es sich an die Netzwerke zwischen ihnen und die Auswirkung auf die Quartiere, in denen sie vermehrt angesiedelt sind,  zu betrachten. Außerdem hatten die Initiativen die Möglichkeit, im Netzwerkfragebogen 
anzugeben, welche anderen Initiativen und Einrichtungen sie für besonders relevant für die Soziale Innovation im Ruhrgebiet halten.

Somit liegen dieser Projektarbeit zwei Sichtweisen auf die Soziale Innovation zugrunde: Die Einschätzung der Initiativen, die in der Szene angesiedelt sind (Innenansicht), und die Analyse der Netzwerkstrukturen und Einflüsse der Initiativen im Ruhrgebiet (Außenansicht), die durch die Netzwerkanalyse erhoben werden. Diese gilt es zu vergleichen und einzuordnen, um Rückschlüsse auf die Möglichkeiten der Verbreitung von Sozialer Innovation im Ruhrgebiet ziehen zu können.

Das nächste Kapitel beschäftigt sich nun zunächst mit Initiativen und ihrer Funktionsweise, der dritte Fragenblock behandelt die Netzwerkanalyse und ihre Aussagen zur Vernetzung im Ruhrgebiet.

Quellen